26.10.-03.11.2012

Als wir am letzten Oktoberwochenende unsere Reise nach Israel begannen, ahnten wir sicher nicht, was uns erwarten würde. Zwar kannten wir unsere drusische Partnergruppe aus Shefaram bereits vom Bundeslager 2010 – aber neun Tage mit ihren Familien und unterwegs in ihrem Heimatland zu verbringen, ist dann doch etwas anderes.
Was wussten wir über die Drusen vor unserer Reise? Eigentlich nur wenig: es leben rund 600.000 Drusen zwischen dem Norden Israels, Syrien und dem Libanon verteilt. Sie sprechen arabisch, gehören aber weder dem Islam, noch dem Christentum an. Die Drusen haben eine eigene Religion, über deren Details jedoch nur wenige Eingeweihte in ihrer Bevölkerung bescheid wissen und die man an ihrer weißen Kopfbedeckung erkennen kann. Die Rolle der Drusen in der israelischen Gesellschaft ist besonders, da sie als einzige Minderheit die Wehrpflicht eingeführt haben. Sie besitzen einen eigenen Pfadfinderverband – die Druze Scouts.

Als wir in Shefaram ankamen, erreicht gerade das Opferfestes, welches von Moslems und Drusen gefeiert wird, seinen Höhepunkt: Viele Menschen waren auf den Straßen unterwegs, um ihren Freunden und Verwandten kurze Besuche abzustatten. Überall gab es Musik und Feuerwerke und besonders gab es überall sehr viel zu essen. Wie wir schon bald lernen sollten, spielt die Familie für die Drusen generell eine sehr große Rolle: man lebt Tür an Tür mit seinen Geschwistern, Eltern und entfernteren Verwandten. Man besucht sich fast täglich, trifft sich Abends zum gemeinsamen Kaffetrinken und Beisammensein. Mindestens einmal im Monat fährt man zu einem der vielen Heiligtümer im Norden Israels, um dort gemeinsam zu grillen und sich auszutauschen.

Gastfreundschaft spielt ebenso eine große Rolle. Wir wurden sehr herzlich aufgenommen und fühlten uns immer sehr wohl. Unsere Partnergruppe hatte ein sehr abwechslungsreiches und interessantes Programm organisiert, das uns in alle Ecken des Landes brachte. Zum einen gab es viel pfadfinderisches Programm: im Norden Israels nahe der libanesischen Grenze gingen wir im Goren Park gemeinsam wandern und kletterten in eine unterirdische Quelle des Nahal Kziv. Wir badeten aber auch im Toten Meer und stiegen um 4 Uhr früh zur Festung Massada auf, um zusammen den Sonnenaufgang über der Wüste zu bestaunen.

Zum anderen setzten wir uns aber auch mit der Zeitgeschichte Israels auseinander. So besuchten wir gemeinsam die Gedenkstätte und das Museum zur Shoah in Yad Vashem. Auch die aktuelle Lage in Israel war immer wieder ein Teil unseres Programms: unweigerlich kamen wir oft Nahe an die Grenze zum Westjordanland und direkt zu den Sperranlagen in Ostjerusalem. Unsere Partnergruppe zeigte uns aber auch verschiedene Aussichtspunkte zur Grenze zum Libanon und Syrien. Wir besuchten drusische Siedlungen und Heiligtümer in den umstrittenen Gebieten im Golan und bekamen viel über die aktuelle Lage erzählt.

In Shefaram sahen wir aber vor allem, dass es über Glaubensgrenzen hinweg ein gutes Miteinander geben kann: die Moschee, die katholische Kirche, die ehemalige Synagoge und das drusische Heiligtum liegen dort nur wenige Meter voneinander entfernt. Christliche, muslimische und drusische Kinder gehen dort gemeinsam zur Schule und zu den Pfadfindern. Der Stadtrat setzt sich aus Moslems, Drusen und Christen zusammen. Man feiert gemeinsam islamische, christliche und jüdische Feste.

Als wir am letzten Abend unsere Erlebnisse gemeinsam Revue passieren ließen, war uns allen klar: wir hatten neun Tage mit einem sehr dichten und abwechslungsreichen Programm voller unvergesslicher Erlebnisse hinter uns. Wir haben nicht nur viel vom ganzen Land gesehen – vor allem durften wir durch das Leben bei den Familien viel über die drusische und arabische Kultur, das enge Familienleben und ihren Alltag erleben. Wir sind sehr dankbar für die Gastfreundschaft unserer drusischen Partnergruppe und hoffen uns eines Tages wieder sehen zu können!

Peter Neubauer